Lobbyarbeit der Tabakwirtschaft total erfolgreich

Das neue öffentlich einsehbare Lobbyregister des Bundestages

Für die politische Lobbyarbeit hat der Tabakkonzern Philip Morris im letzten Jahr  rund 1.245.000,00 € ausgegeben. Diese Angaben hat Philip Morris für das neue öffentlich einsehbare Lobbyregister des Deutschen Bundestages gemacht. Dort gibt das Unternehmen als Interessen- und Vorhabenbereich auch die Bereiche Gesundheit, Umwelt und Verbraucherschutz an, ebenso Kultur und Werbung. Die Zahl der Beschäftigten im Bereich der Interessenvertretung wird mit 11 bis 20 beziffert.

Auch der Tabakkonzern JT International Germany sieht seine Interessen- und Vorhabenbereiche neben anderen in den Bereichen Gesundheit, Umwelt und Verbraucherschutz, Kultur und Werbung. Für die Lobbyarbeit des Unternehmens wird mit rund 345.000,00 € mehr als eine Drittel Million Euro ausgegeben, die Zahl der Mitarbeiter wird mit „1 bis 10“ benannt.

British American Tobacco beschäftigt für seine Lobbyarbeit ebenfalls „1 bis 10“ Personen, gibt aber mehr aus: Für das Jahr 2021 werden finanzielle Aufwendungen in Höhe von rund 795.000,00 € angegeben.

Dazu kommt neben weiteren kleineren Verbänden der Bundesverband der Tabakwirtschaft und neuartiger Erzeugnisse (BVTE). Dieser Verband erklärt zu seinen Interessen- und Vorhabenbereichen ausdrücklich auch die Gesundheitsförderung und macht damit sprichwörtlich den Bock zum Gärtner. Da aber 1 bis 10 Beschäftigte für die Lobbyarbeit tätig werden können und im Jahr 2021 über eine Million Euro, nämlich rund 1.065.000,00 € ausgegeben wurden, dürfte damit das Ziel, Einfluss auf die politischen Entscheidungen und auf die Gesetzgebung zu nehmen, erreicht worden sein. Einen Fortschritt in der Tabakkontrolle gab es im Jahr 2021 jedenfalls nicht.

Angesichts der enormen Ausgaben in Höhe von rund 3.450.000,00 € für Lobbyarbeit, bei denen es sich zudem nur um einen Teil der Aufwendungen handelt, erklärt sich die bisherige Blockadepolitik des Deutschen Bundestages. Wir brauchen umfassende Tabakwerbeverbote, auch für E-Zigaretten und für Tabakerhitzer, neutrale Verpackungen („plain packages“), Verbot von Tabakautomaten, Regelungen zum Tabakverkauf nur in lizensierten Geschäften (kein Verkauf in Supermärkten und Drogerien – und schon gar nicht in Krankenhäusern!), Tabaksteuererhöhungen, wir brauchen besseren Nichtraucherschutz. Dass derartige Maßnahmen wirksam sind, steht fest. Je besser Tabakkontrollmaßnahmen umgesetzt werden, umso geringer ist die Zahl der Kinder und Jugendlichen, die mit dem Rauchen beginnen. Aber auch der Anteil derjenigen, die mit dem Rauchen aufhören, wird größer.

Die Umsetzung des Rahmenübereinkommens der WHO zur Eindämmung des Tabakgebrauchs (FCTC) kann dabei behilflich sein, den Einfluss der Tabakindustrie zurückzudrängen. In diesem völkerrechtlichen Vertrag betonen die Vertragsparteien den „fundamentalen und unüberbrückbaren Konflikt zwischen den Interessen der Tabakindustrie und gesundheitspolitischen Interessen“ (Artikel 5.3 FCTC). Empfohlen wird, jede Interaktion und Partnerschaft mit der Tabakindustrie zu vermeiden. Wenn Kontakte unvermeidbar sind, sollen die Kontakte transparent erfolgen.

Entsprechend heißt es auf der Webseite des Bundesgesundheitsministeriums unter der Überschrift „Gespräche mit der Tabakwirtschaft“:

„Das Rahmenübereinkommen der WHO zur Eindämmung des Tabakgebrauchs vom 21. Mai 2003 (WHO Framework Convention on Tabacco Control – FCTC) lautet in Artikel 5 Absatz 3: „Bei der Festlegung und Durchführung ihrer gesundheitspolitischen Maßnahmen in Bezug auf die Eindämmung des Tabakgebrauchs schützen die Vertragsparteien diese Maßnahmen in Übereinstimmung mit innerstaatlichem Recht vor den kommerziellen und sonstigen berechtigten Interessen der Tabakindustrie“.

Dann nimmt das Bundesministerium Bezug auf die Leitlinien zu dem Artikel 5. 3, die vorsehen, dass Interaktionen mit der Tabakindustrie transparent und öffentlich gemacht werden sollen, wenn sie dann doch stattfinden. Weiter heißt es dann, dass Gespräche, die „mit der Tabakwirtschaft beziehungsweise deren Verbänden geführt wurden und künftig geplant sind, … hier öffentlich gemacht“ werden.

Es folgt eine Liste, deren letzter Eintrag am 06.11.2020 (Gespräch mit der Drogenbeauftragten und dem Bundesverband der Tabakwirtschaft), also vor über einem Jahr, erfolgte zu dem Thema: „Austausch zu aktuellen Themen“.

Während also selbst das Gesundheitsministerium den Artikel 5. 3 des Rahmenübereinkommens zur Tabakkontrolle zitiert und die Forderung nach Transparenz für Gespräche, die das Bundesministerium für Gesundheit mit Vertretern der Tabakindustrie führt, anerkennt und selbst deren Bedeutung betont, wird dieses Erfordernis der Transparenz offensichtlich missachtet. Denn die Angabe des Gesprächsthemas „Austausch zu aktuellen Themen“ ist völlig nichtssagend und macht den Inhalt dieser Gespräche überhaupt nicht transparent. Hinzu kommt, dass es kaum vorstellbar ist, dass im ganzen Jahr 2021, in dem der Bundesverband der Tabakwirtschaft und neuartiger Erzeugnisse nach eigenen Angaben über eine Million Euro für Lobbyarbeit ausgegeben hat, kein einziges Gespräch dort stattgefunden hat und bis heute kein Gespräch geplant ist. Während der Coronavirus Pandemie könnten die Gespräche online stattgefunden haben. Wie arbeitet die Tabaklobby?

Nachdem im Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP die Schaffung eines Nationalen Präventionsplans vereinbart wurde, gibt es die Hoffnung, dass es in Zukunft eine effektivere Tabakkontrollpolitik gibt.

Unser neuer Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach jedenfalls hatte schon in einem Interview in der ZEIT im Jahr 2015 gesagt, er halte das Rauchen in jeder Form und Dosierung für den größten Risikofaktor für Krebs. „Und zwar nicht nur für den Lungenkrebs, sondern auch für viele andere Tumorformen, wo man es früher nicht vermutet hatte, wie etwa Blasenkrebs, Nierenkrebs oder Brustkrebs.“ Wahrscheinlich stecke im Kampf gegen den Tabak die Hälfte des gesamten Vorsorgepotenzials. Deshalb sei er dafür, die Tabaksteuer massiv zu erhöhen und aggressiver über die Gefahren des Rauchens aufzuklären. (DIE ZEIT Nr. 35/2015, 27. August 2015)

Konsequent steht auf der Webseite des Bundesgesundheitsministeriums die traurige Wahrheit: „Rauchen ist das größte vermeidbare Gesundheitsrisiko in Deutschland. Jährlich sterben in Deutschland über 127.000 Menschen an den Folgen des Tabakkonsums.“

Es wird aber leider noch komplizierter, denn Karl Lauterbach ist als Bundesgesundheitsminister zwar für Gesundheit, aber nicht für Tabak zuständig. Zuständig für die Tabakgesetzgebung ist das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft. Der Landwirtschaftsministers Cem Özdemir fühlt sich der Transparenz sogar besonders verpflichtet. Auf der Webseite seiner Behörde heißt es:

„Das BMEL ist federführend für die Umsetzung der Tabakprodukt-Richtlinie (RL 2014/40/EU) zuständig, die am 29.4.2014 im Amtsblatt der EU veröffentlicht wurde und sieht sich daher dem Anspruch nach Transparenz besonders verpflichtet.

Alle Gespräche, die mit der Tabakwirtschaft bzw. deren Verbänden geführt wurden, werden hier öffentlich gemacht.“

Dann folgt eine längere Liste, der erste eingetragene Gesprächstermin fand am 09.04.2014 statt. Die letzten Eintragungen datieren vom 08.06. und 24.06.2021. Das Gespräch vom 08.06.2021 fand auf der Fachebene statt und es ging um tabakfreie Nikotinbeutel, an dem letzten Gespräch nahmen auf Ministeriumsseite der Abteilungsleiter 2 und von der Tabakindustrie „Imperial Tobacco/Reemtsma, Verband der deutschen Rauchtabakindustrie (VdR), Bundesverband der Zigarrenindustrie e.V. (BdZ)“ teil.

Keine weiteren Eintragungen, Gespräche fanden im Jahr 2021 nach dem 24.06.2021 und in den Monaten Januar und Februar 2022 nicht statt.

Haben wirklich keine weiteren Gespräche stattgefunden? Auch keine Video-Zusammenkünfte? Fast dreieinhalb Millionen Euro für zwei Gespräche? Das ist ein bisschen seltsam, wir werden mit einem Brief an die Ministerien nachfragen.

Mit Datum vom 01.03.2022 lädt das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft die für Tabakkontrolle engagierten Verbände und Experten zu einer schriftlichen Stellungnahme ein. Es geht um den Entwurf der Europäischen Kommission für eine Delegierte Richtlinie hinsichtlich der Ausnahmen für Tabakerhitzer und Änderungen der Artikel 7 und 11 der Tabakprodukt-RL 2014/40/EU. Eine Stellungnahme wird bis zum 09.03.2022 erbeten und für die kurze Frist wird um Verständnis gebeten.

Der beigefügte Text ist drei Seiten lang und enthält den Entwurf der Änderung mehrerer Artikel der Richtlinie 2014/40/EU in englischer Sprache. Eine Übersetzung, die das Bundesministerium bei den dortigen Möglichkeiten ganz unproblematisch hätte herstellen können, ist nicht beigefügt.

Jetzt kannst du verstehen, warum die Tabakkonzernen und die Tabakverbände so viel Geld für ihre Tabaklobby ausgeben. Die Tabakkonzerne und ihre Tabaklobby können jetzt mit vielen hochqualifizierten Mitarbeitern und wenn sie wollen mit noch mehr externen Experten eine Stellungnahme zu dem Gesetzentwurf abgeben, bevor ich überhaupt verstehen kann, worum es bei dem Entwurf überhaupt geht.

Aber auch hier kann das Rahmenübereinkommen der WHO zur Eindämmung des Tabakgebrauchs weiterhelfen: Der Zivilgesellschaft wird in diesem völkerrechtlichen Vertrag eine wichtige Rolle zugesprochen, insbesondere bei der Überwachung der Aktivitäten der Tabakindustrie (Leitlinien zu Artikel 5.3 FCTC). Dazu gehört die Pflicht des Staates, zivilgesellschaftliche Initiativen zur Eindämmung des Tabakgebrauchs zu unterstützen (Leitlinien zu Art. 12 FCTC). 

Beitragsbild: Sebastian Vollmar, Plakatwettbewerb

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